Abhandlung der Geschichte der Betreuung psychisch Kranker in Pommern
Ausgang des Mittelalters, in dem die medizinische Forschung von Mystizismus, Magie und
Aberglaube durchdrungen war, ließen gesellschaftliche Strömungen es zu, daß die religiöse
Beeinflussung der Medizin zurückgedrängt wurde. Die medizinische Wissenschaft entledigte
sich des Dämonenglaubens und der Ketzerei, die durch die Kirchen und deren Instrumente
ausgeübt wurde. Psychisch kranke Menschen wurden jetzt allgemein nicht mehr als Hexen
oder Besessene angesehen, sie wurden durch Einrichtungen von der Gesellschaft isoliert.
Nach der französischen Revolution zeigte sich ein Wandel in der Denk- und Handlungsweise
verantwortlicher Politiker, bedingt durch die aktive Einflussnahme fortschrittlich denkender
Mediziner.
In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts fanden die Gründungen bedeutender psychiatrischer
Krankenanstalten in Deutschland statt. In Pommern gab es wenige kleine Einrichtungen, die
psychisch kranke Menschen betreuen. Im Jahre 1800 wurde in Ueckermünde beim Anklamer
Tor die "Landesarmenanstalt" zur Erfassung auch psychisch Kranker gegründet.
Als nächste medizinische Einrichtung nahm 1834 das Lazarettgebäude der Kuhstraße zu
Greifswald 20 Kranke auf. Später wurde die Kapazität auf 40 erweitert, 1877 entstand die
sogenannte "Provinzial - Irrenanstalt" mit 56 Plätzen, die 1889 vom preußischen Staat als
"Königlich Psychiatrische Klinik" gepachtet wurde. Nach dem Bau der Universitätsnervenklinik
im Jahre 1905 konnte dann die Anstalt geschlossen werden.
1842 entstand die "Irren- und Siechenanstalt" für 30 Kranke in Stralsund. Diese Anstalt
wurde 1900 aufgelöst. Zu dieser Zeit gab es 75 Plätze in dieser Einrichtung. Neben diesen
Anstalten gab es noch die sogenannte "Bewahrungsanstalt für Sieche und Irre" im Schloß von
Rügenwalde (heute Darlowo).
Im Jahre 1863 erfolgte die Eröffnung der konfessionellen "Anstalt für Schwachsinnige und
Epileptiker" in Kückenmühle bei Stettin (heute Szczecin). Diese Einrichtung durfte bis 1915
keine sogenannten "echten Geisteskranken" aufnehmen.
1875 wurde nach vierjähriger Bauzeit die "Provinzial-Heilanstalt bei Ueckermünde" mit
einer Aufnahmekapazität von 300 Kranken eröffnet. Die Anstalt in Ueckermünde war in
vielfacher Hinsicht auf medizinisch-wissenschaftlichem und arbeits-organisatorischem
Gebiet progressiv für die Anstalten in Pommern und in Deutschland. Im Jahre 1887 konnte
die "Provinzial - Heilanstalt" in Lauenburg (heute Lebork) übergeben werden. Diese, wie die
1900 übergebene "Provinzial - Heilanstalt" in Treptow a. d. Rega (heute Trzebiatow)
brachten mit ihrer Bettenzahl eine vorübergehende Entlastung für die Bevölkerung
Pommerns. Für den Einzugsbereich Ueckermünde reichte aber diese Bettenzahl nicht aus, so
wurde 1909 die Siechenanstalt Zarowmühle, die unter der Verwaltung der Anstalt
Ueckermünde stand, als "Provinzial - Erziehungsanstalt für weibliche schulentlassene
schwererziehbare Fürsorgezöglinge" mit 40 Plätzen eingerichtet. Im nahen Liepgarten
entwickelte sich das Zentrum der Familienpflege für psychisch Kranke.
Am 25.5.1912 wurde dann die "4. Pommersche Provinzial - Heilanstalt" in Stralsund
übergeben. Zu dieser Anstalt gehörte eine Landwirtschaft, eine Gärtnerei und Werkstätten.
Die Arbeitstherapie wurde entwickelt, und eine Musik-Kapelle sorgte für frohe Stimmung.
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