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Einspruch zwecklos

Bevor die eigentliche Euthanasie, deren Zahl auf 275 000 geschätzt wird, einsetzte, waren die als Ärzte tätigen "Rassenhygieniker" in Gemeinsamkeit mit den nationalsozialistischen Politikern bestrebt, ihr Konzept der Menschenzüchtung durchzusetzen. So erhoben sie die Sterilisation zum Gesetz. Zuerst sollten die Menschen mit Erbkrankheiten, zu denen u. a. Fallsucht, erbliche Blindheit oder schwerer Alkoholismus gezählt wurden, sterilisiert werden, die dazugehörigen Sippen mit einbezogen. Es gab auch Ärzte, die den Krebs durch Sterilisationsmaßnahmen ausrotten wollten. Sie planten, alle Familien, in denen diese Erkrankungen auftraten, mit in ihre Sterilisationsmaßnahmen einzubeziehen.
Die Sterilisation wurde auch als politisches Druckmittel angewendet. So wie bei sieben Einwohnern aus Redefin nach einer Denunziation durch den Lehrer K. K. aus Hagenow.
(Das belegt eine Mitteilung von Dr. Heinz, ehem. Bezirksparteiarchiv Schwerin).

Das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" trat am 1.1.1934 in Kraft. Durchgesetzt wurde das Gesetz durch die Kreisärzte. In Stralsund war es MR Prof. Dr. Ernst Otto Max Walter, der 1928 nach Stralsund versetzt wurde. So kann man ihn als Richter über Leben und Tod zu seiner Zeit bezeichnen.
Wie in allen staatlichen Gesundheitseinrichtungen wurden Beratungsstellen für "Erb- und Rasenpflege" eingerichtet und sogenannte Sippenkarten angelegt, die der Erfassung der zur Sterilisation bestimmten Personen dienten.
Amtsärzte bzw. Leiter der psychiatrischen Anstalten tätigten die Anträge zur Sterilisation. Urteilsentscheidungen trafen die neu geschaffenen Erbgesundheitsgerichte, die von einem Juristen unter Beisitz eines Amtsarztes und eines anderen Arztes geleitet wurden.
Das für Stralsund zuständige Erbgesundheitsgericht befand sich in Greifswald, das Erbobergericht in Stettin.

Folgende Juristen und Ärzte waren in diesem Greifswalder Gericht tätig:
Amtsgerichtsräte Manke, Dr. Blankenburg, Reinisch und der Amts- und Landgerichtsrat Dr. Hagemann.
Als Amtsärzte waren in dieser Angelegenheit tätig:
Prof. Dr. Walter (Stralsund), MR Prof. Dr. Peiper, Prof. Dr. Hey, Prof. Dr. Goroncy (Greifswald), MR Dr. Ohrloff (Anklam), MR Dr. Friese (Bergen/Rg.). Als Ärzte waren tätig: Dr. Kantner, Dr. Schumann, Dr. Albracht (Stralsund), Dr. Illgen (Gützkow).

Sie entschieden über die Sterilisation mit und ohne Anhörung des Menschen. Der operative Eingriff mußte dann innerhalb von 14 Tagen in irgendeiner dafür vorgesehene Einrichtung vorgenommen werden, ansonsten konnten die Menschen mit Polizeigewalt vorgeführt werden, was aus den Krankengeschichten auch immer wieder zu ersehen ist.
Im Städtischen Krankenhaus Stralsund waren 657 Sterilisationen angemeldet bzw. die Patienten eingewiesen worden, davon wurden von 1933 bis 1939 650 Operationen, 372 bei Männern und 278 bei Frauen auf der chirurgisch- gynäkologischen Abteilung unter der Leitung des Chefarztes Dr. Peters vorgenommen. Drei Patientinnen verstarben an diesem Eingriff. In vier Fällen lag eine medizinische Indikation vor. Vom Kreisarzt wurden 194 Patienten eingewiesen, die Landesheilanstalt brachte es auf 452 und andere Ärzte auf vier Patienten (med. Indikation).
Der ehemalige Kutscher der Landesheilanstalt berichtete, daß die Patienten allgemein nicht wußten, was mit ihnen geschah. Sie wurden mit einem Planwagen zum Krankenhaus gebracht und einige Tage später wieder abgeholt. Die 135 Stralsunder Bürger, von denen 78 durch den Kreisarzt eingewiesen wurden, mußten allein das Krankenhaus aufsuchen, und wenn sie es nicht taten, wurden sie durch die Polizei vorgeführt. Gegen diesen Zwangseingriff gab es auch Widerstand. Es gab Einsprüche gegen die Beschlüsse des Erbgesundheitsgerichtes von Müttern und Vätern, von Ehemännern und Ehefrauen, vom Bruder, vom Stiefvater oder Vormund. In sieben Fällen lehnte das Gericht eine Sterilisation ab. In diesen Fällen erhob der Kreisarzt Dr. Walter Einspruch gegen das Urteil des Erbgesundheitsgerichtes. In allen Fällen wurde dann die Zwangssterilisation durch das Erbobergericht in Stettin durchgesetzt.




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