Artikel aus: Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern 10. Jg. 1/06
Erwin Walraph, Neubrandenburg

Gedanken und Meinungen von Menschen aus Vorpommern, denen während des Nationalsozialismus unbeschreibliches persönliches Leid zugefügt wurde

Bereits die ältesten Gemeinschaften von Menschen und die Sklavenhaltergesellschaften erhoben die Ungleichheit der Menschen, das Recht des Stärkeren und des Klügeren zum Prinzip. Um die Hierarchie der verschiedenen Klassen und die Überlegenheit der oberen Schichten zu rechtfertigen, prägten die griechischen Denker eine Legende, die die Ungleichheit der Menschen beweisen sollte. Der Philosoph Platon (427-347 v.u.Z.) legte seinem Lehrer Sokrates folgende Worte in den Mund: "Ihr alle im Staat seid Brüder, so erzählen wir ihnen im Märchen. Der Schöpfer hat euch, die zu Herrschern berufen sind, Gold bei eurer Erschaffung beigemischt, weshalb ihr auch die Geehrtesten seid. Den Helfern gab er Silber bei. Eisen und Kupfer den Bauern und Handwerkern. Weil ihr alle verwandt seid, erzeugt ihr zumeist Kinder nach eurer Art. [...] Den Herrschern befiehlt Gott vor allem am meisten [...] nichts so scharf zu bewachen wie ihre Kinder, welcher Stoff ihren Seelen beigemischt ist. Wenn ihr Spross Erz oder Eisen mitgemischt erhalten hat, dann dürfen sie sich in keiner Weise erbarmen, sondern müssen ihm die seiner Natur zukommende Stellung geben und ihn an Handwerkern und Bauern verstoßen. " Aristoteles, sein Schüler, versuchte, die Ungleichheit der Menschen bereits mit biologisch-wissenschaftlichen, aber unbewiesenen Argumenten zu klären.
Sowohl in den Gesellschaften der Antike als auch im Mittelalter bis in die Neuzeit hinein wurden die Menschen in Herren und Sklaven, in Freie und Unfreie unterteilt. Dabei konnten Herr und Knecht derselben ethnischen Gruppe, demselben Volk angehören. Die Rangordnung wurde durch angebliche Verdienste, aber vor allem durch die politischen und ökonomischen Machtverhältnisse bestimmt. Der Rassismus, die Theorie von dem ungleichen Wert verschiedener Menschengruppen und Rassen, entstand erst zum Ende des 18. Jahrhunderts. Die wichtigsten Vertreter des neuen Glaubens waren französische Adelige: F. de Montlosier und der Graf JA. de Gobineau. Später wandte sich das aufstrebende Bürgertum den Naturwissenschaften zu, um seine Herrschaftsansprüche zu beweisen bzw. zu verteidigen. Die Theorien der Sozialdarwinisten wie Sir F. Galton (Arzt) wollten beweisen, dass alle höheren und wohlhabenden Schichten von Natur aus begabt seien, die unteren Schichten dagegen von Geburt an minderwertig oder, wie es die amerikanischen Rassisten insbesondere der Südstaaten um 1900 ausdrückten; Der Neger sei eine Art höherer Affe (Charles Carrol). Gott schuf ihn einzig und allein, damit er Adam und seinen Nachkommen als Diener zur Verfügung stehe. Die deutschen Rassisten traten erst etwas später in Erscheinung. 1891 wurde der "Alldeutsche Verband" gegründet. Der Aufruf zur Gründung dieser politischen Gesellschaft wurde von drei bekannten Medizinern unterschrieben. Es waren die Professoren Felix, Fick und Lubarsch. Die deutschen und amerikanischen Ethnologen, Anthropologen und Psychiater (E. Fischer, A. Ploetz) begnügten sich durchaus nicht damit, die Menschen nach der Hautfarbe einzuteilen. Sie klassifizierten sie vor allem nach ihrer Schädelform, der Länge oder Breite des Kopfes, nach der Schädelkapazität, ja teilweise dem Gehirngewicht. Spezielle Sippenforscher ermittelten besondere Eigenschaften an Menschen, um ihre Rassenideologie umzusetzen.
Zur Zeit des Nationalsozialismus erlaubten Rassengutachten die Auswahl der Menschen. Es wurde geprüft, ob bei dem Betreffenden genetische Erkrankungen oder eine jüdische Abstammung vorlagen. Es wurde ein Menschenbild vor einem bestimmten geistigen und politischen Hintergrund gemalt: Deutschland als das Land nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg sollte die "nationale Schmach" des Versailler Vertrages auslöschen und sich wieder eine Stellung auf der politischen Bühne erobern. Der kriegerisch-soldatische Zug im Menschenbild wurde stark hervorgehoben. Das zukünftige wehrhafte deutsche Volk, das für die Stunde der Bewährung bereit sein müsste, wurde für diese Vorstellung reif gemacht. Alles, was die Wehrhaftigkeit auf irgendeine Art und Weise beeinträchtigen konnte, müsste beseitigt werden. Zu dieser unmittelbaren politischen Situation kam, dass man die Entwicklung von Demokratie, Sozialismus und Marxismus in den letzten beiden Jahrhunderten als Fehlentwicklung ansah und an ihre Stelle neue "Werte" setzen wollte. Durch eine ausgesuchte elitäre Rasse sollten diese Ziele umgesetzt werden. Alle Menschen, die dieser willkürlichen Elite nicht entsprachen, waren "Ballastexistenzen" und sollten "ausgemerzt" werden - nach dem sozialdarwinistischen Prinzip des "Kampfes ums Dasein" und einer entsprechenden deterministischen Erblehre, nach der die Erbanlagen allein entscheidend sein sollten für die Erhaltung und Steigerung eines Volkes. Der Stärkere, der mit den besten Erbanlagen Ausgestattete, der Leistungsfähigste und der Umwelt am besten Angepasste sollte den Schwachen besiegen. In seiner Hand läge dann die Macht, die Welt nach seinen Vorstellungen zu formen.
Die Sorge um die Erbanlagen bzw. "Erbgesundheit" müsste vor diesem Hintergrund als eine komplexe Aufgabe empfunden werden. Es entstand im "Dritten Reich" ein "Erbgesundheitskomplex", ausgelöst durch den züchterischen Gedanken, auch Menschen nach einem politischen Wunschdenken zu entwickeln. Ärzte - insbesondere Psychiater, Juristen und andere Wissenschaftler - arbeiteten im Vorfeld der nazistischen Ideologie an einem System der Ausrottung bestimmter Menschen, die ihrem Vorbild nicht entsprachen. Diese Ideen, gekoppelt mit einer politischen Zielstellung, mussten zur größten Missachtung des Menschen führen. Zwangssterilisation, Vernichtung "lebensunwerten Lebens", Ermordung politisch Andersdenkender und Rassenwahn führten letztendlich zu einer in der Menschheitsgeschichte beispiellosen Tötungsaktion in den psychiatrischen Anstalten bis hin zu den Konzentrationslagern. Auf der Grundlage mehrerer Gesetze wie des "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" von 1934, des "Blutschutzgesetzes" von 1935 und des "Ehegesundheitsgesetzes" von 1938 konnten Menschen verfolgt, verstümmelt oder getötet werden. Die Zwangssterilisation der "Rheinlandbastarde" und die geringe Reaktion der Bevölkerung auf diese Maßnahme waren der Beginn einer unvorstellbaren Massensterilisation, die von den Gesundheitsämtern und Erbgesundheitsgerichten organisiert wurde. Betroffen waren in Deutschland in der sehr kurzen Zeit von wenigen Jahren etwa 400.000 Menschen. Nach der Zwangssterilisation vieler Menschen kam die nächste Etappe der Rassenpolitik, das Töten, zum Tragen. Insgesamt wurden wahrscheinlich über 72.000 Menschen in psychiatrischen Einrichtungen getötet. Dabei hatte der Gau Pommern eine Vorreiterrolle. Der Gauleiter Schwede-Coburg ließ Patienten bereits vor dem Beginn der Euthanasiewelle, z.B. im Wald von Piasnica, durch einen SS-Sturmbann erschießen.
Heute noch lebende, meist in den 30er Jahren als junge Menschen Sterilisierte können sich nicht von diesem Makel erholen. Sie sind für ihr Leben stigmatisiert. Viele dieser Menschen in Vorpommern wie in Deutschland überhaupt wollen nicht über ihr Schicksal berichten; sie haben die Schmach durch den erzwungenen operativen Eingriff nie verwunden. Nur wenige Menschen waren und sind bereit, ihr Schicksal zu erzählen. Sie wurden mit elf oder auch mit 15 Jahren zwangsweise, sogar mit Polizeigewalt, in die Krankenhäuser eingeliefert und sterilisiert. Der Anlass einer Zwangssterilisation war vielfach banal; die Ursachen lagen im Gesundheitszustand, in der politischen Orientierung der Person selbst oder der Familie. Die Zwangssterilisation zerstörte den Lebenssinn tausender Menschen. Ähnlich geht es den Betroffenen, von denen ein oder mehrere Familienangehörige in Anstalten getötete wurden. Diese so genannten "Euthanasie"-Geschädigten berichten sehr selten über die Ermordung ihrer Angehörigen in den speziell dafür hergerichteten Anstalten.
Die Umsetzung der Rassengesetze war insbesondere Ärzten vorbehalten. Die Ärzte-Führer des Amtes für Volksgesundheit der NSDAP erhielten unter anderem auf der "Führerschule der deutschen Ärzteschaft" in Alt Rehse am Tollensesee ihre Aus- und Fortbildung. Berufen zu den Lehrgängen wurden besonders junge Medizinpraktikanten und Assistenten, die Mitglieder der NSDAP waren. Unter den Dozenten wirkten nicht nur Prominente der Parteiärztehierarchie, sondern auch Nichtärzte wie der Nazi-Ideologe Alfred Rosenberg mit. In den Kursen bildete man vorzugsweise die faschistischen Führungskader für das nationalsozialistische Gesundheitswesen aus.
Um das Ausmaß dieser in die Persönlichkeit eingreifenden Maßnahmen begreiflich zu machen, möchte ich an dieser Stelle einige Beispiele betroffener zwangssterilisierter Personen, die mir ihre Schicksale schrieben oder erzählten, vorstellen.

Frau R. aus P. berichtet:
"Meine Tante R. und mein Onkel F. wollten die Finanzhilfe, die auf Antrag für kinderreiche Familien einmal gewährt wurde, in Anspruch nehmen. Zu diesem Zweck mußte die ganze Familie vor einem Amtsarzt in P. erscheinen. Bei der Einzelbefragung konnte mein Cousin W. nicht alles zufriedenstellend beantworten. Zunächst geschah erst einmal gar nichts. Nach einiger Zeit wurde der Familie von Frau T; die in der Parteigruppe das Sagen hatte, mitgeteilt, daß mein Cousin W. vor einem Ärzteteam Gelegenheit zu einer Wiederholung der Prüfung bekommen würde. Persönliche Sachen sollten mitgebracht werden, denn es könnte mehrere Tage dauern. An dem anberaumten Tag begab er sich in die Städtische Klinik nach K. Leider gab es keine Prüfung, sondern noch am gleichen Tag eine Untersuchung in Narkose, so wurde er sterilisiert. Ohne von dem Geschehen in Kenntnis gesetzt, wurde der Tatbestand erst nach schriftlicher Anfrage mitgeteilt. Besonders meine Tante hat diese Ungerechtigkeit nie verwinden können. Mein Cousin hat die Sterilisation immer sehr belastet."

Der Bruder von Herrn B. schrieb in seiner eidesstattlichen Erklärung:
"Einige Monate nach der Hochzeit meines Bruders brachte seine Frau meiner Mutter gegenüber zum Ausdruck, daß sie gerne ein Kind von meinem Bruder haben möchte. Das sei wegen meines Bruders nicht möglich. [...] Den wahren Grund der Kinderlosigkeit meines Bruders erklärte meine Mutter erst nach längerem Nachfragen. Sie sagte mir, daß W. nach der Schule sterilisiert worden sei. Mein Vater und sie hätten das nicht verhindern können. Es sei von einer Kommission beschlossen worden. Sie sagte mir, ich solle darüber mit niemandem sprechen. Mein Bruder hätte schon genug Schweres in seinem Leben durchmachen müssen. Über das Problem wurde in der Familie meines Wissens nie gesprochen."

Herr B. aus N., ein angesehener Bürger der Stadt, wusste folgendes zu berichten:
"Jnfolge eines Nervenzusammenbruches 1941 an der Front in Frankreich wurde ich in das Karolinenstift nach A. verlegt und im gleichen Jahr zwangssterilisiert. Bis zum heutigen Tag habe ich diese willkürliche Zwangsmaßnahme nicht überwunden und spreche grundsätzlich nicht über diese Schmach. Später lernte ich meine Frau kennen. Sie wurde bereits 1935 im Krankenhaus von N. sterilisiert. Meine Frau kam aus einer kinderreichen Familie und musste in der Landwirtschaft viel arbeiten. Im Alter von 15 Jahren konnte sie diesen Belastungen nicht mehr standhalten und litt unter Schlaflosigkeit. Vom Hausarzt wurde sie in das Karolinenstift A. eingewiesen und im Sommer 1935 sterilisiert. Ihre Eltern waren gegenüber dem Beschluß zur Sterilisation machtlos. Sie leidet sehr unter dieser Maßnahme, sie hat ihre Kinderlosigkeit bis zum heutigen Tag nicht verwunden."

Herr R. aus U. teilte mir mit:
"Ich wurde am 05.01.22 in S. geboren. Infolge vieler Kinderkrankheiten wie Rachitis u.a. war mein körperlicher und geistiger Zustand nicht besonders gut. Im Jahre 1939 erhielt meine Mutter vom Gesundheitsamt in S. die Aufforderung, mit mir bei einer Dienststelle des Regierungsbezirkes S. zu erscheinen. Nach einer Aussprache erhielt meine Mutter im Juni 1939 die Aufforderung, mit mir im Kreiskrankenhaus S. zu erscheinen. Dort wurde ich gegen den Willen meiner Eltern und gegen meinen eigenen Willen zwangssterilisiert. "

Herr F. aus B. berichtete:
"Ich bin am 13.07.1911 in L. Kreis G. geboren. Aufgrund eines Unfalls entwickelte sich bei mir ein Krampfleiden und ich wurde daraufhin 1937 in G, sterilisiert. Die Anfälle traten mit den Jahren dann nicht mehr auf. Da ich heiraten wollte, mußte sich meine Frau A. im gleichen Jahr einer Sterilisation in G. unterziehen, sonst wäre eine Ehe nicht möglich gewesen."

Frau A. leidet an einem erblichen Hüftleiden mütterlicherseits. Sie schrieb:
"Meine Eltern erhielten vom damaligen Gesundheitsamt in T. ein Schreiben, dass ich für eine Sterilisation laut Erbgesundheitsgesetz vorgesehen wurde. So musste ich als 15jährige eine Sterilisation über mich ergehen lassen. Die Operation wurde im Kreiskrankenhaus T. durchgeführt."

Mit Kriegsbeginn hatten die Mitarbeiter des deutschen Gesundheitswesens keine Zeit mehr, Sterilisationen durchzuführen. Hierfür wurden chirurgisches Personal und Bettenkapazitäten für Verwundete eingesetzt. In Absprache mit dem Reichsärzteführer Wagner legte Adolf Hitler fest, dass erst nach Beginn eines Krieges mit der Tötung der Patienten begonnen werden sollte. Psychiatrische Einrichtungen wurden zu Lazaretten umgewandelt und die Patienten durch Erschießen, Vergasen, Verhungern und Injektionen getötet. Ziel war die Vernichtung der psychiatrischen Patienten, Andersdenkender und der so genannten Nichtarier, insbesondere der Juden. Das Leid der betroffenen Familien spielte dabei keine Rolle.

Frau E. aus A. schrieb mir einen Brief mit folgendem Inhalt:
"Mein Vater F.. geboren am 24.12.1900, wurde, als sich seine Krankheit bemerkbar machte (Epilepsie), in die Nervenheilanstalt S. eingewiesen. Dort besuchten meine Mutter und ich ihn oft, bis wir Bescheid erhielten, von Besuchen Abstand zu nehmen, da der Patient verlegt werde. Nach kurzer Zeit, es war Ende Dezember 1940, kam ein Brief aus Kaiisch (Polen) mit einem Totenschein. Verstorben am 16.12.1940. Todesursache: Herzbeutelentzündung u. Kreislaufschwäche. Der Leichnam wird für medizinische Untersuchungen einbehalten. Es gab keine Bestattung und keine Grabstätte."

Frau H. aus R. richtete 1992 an den Bundesminister für Finanzen einen Brief u.a. mit folgendem Inhalt:
"Nach Mitteilung der Heilstätte ,S' in S. ist meine Mutter Frau E. am 23. Juni 1944 verstorben. Ich bin davon überzeugt, dass meine Mutter keines natürlichen Todes gestorben ist; denn nach Aussagen eines Wärters mussten in der Anstalt wöchentlich 60 Patienten sterben. Meine Mutter musste sich aus irgendeinem Grunde am 01.10.43 im Rathaus der Stadt R. vorstellen, von dort wurde sie sofort nach S. gebracht. Die Todesursache ist mir nicht bekannt. Ich sah meine Mutter noch einmal, sie war innerhalb einer kurzen Zeit verfallen und hatte weißes Haar bekommen. Als sie von uns ging, war sie eine gesunde Frau."

Frau U. aus S. hatte in einem Schreiben folgendes zu berichten:
"Jm Jahre 1940 erhielt meine Schwester L. die Nachricht, dass meine Mutter am 18.05.1940 in Schroda-West (Warthe) verstorben sei. Ich bin bis heute davon überzeugt, dass sie nicht auf natürliche Weise verstorben ist. In meiner Kindheit habe ich als Waise im Waisenhaus S. bis zu meinem 9. Lebensjahr und darüber hinaus viel Leid und Not erlebt und kann diese Jahre nicht vergessen. Meine Mutter wurde wahrscheinlich 1928 wieder in die Heilanstalt S. gebracht, wo ich auch geboren wurde. 1939 erfolgte die Auflösung der Heilanstalt und die Verlegung meiner Mutter nach Treptow a.d. Rega. 1940 erhielt meine Schwester dann die Todesnachricht. Meine Nachforschungen ergaben, dass im Standesamt Sroda Wielkopolska keine Eintragung über den Tod meiner Mutter besteht. Hierbei dürfte es sich um ein Scheinstandesamt gehandelt haben."

Frau E. aus N. teilte mir mit, dass Ihr Vater etwa 1927 in die Heilanstalt der Stadt A. eingewiesen und später über Düren nach Hadamar verlegt wurde. Im Juli 1941 erhielt die Familie die Todesnachricht mit folgendem Inhalt:
"Landes-Heil- und Pflegeanstalt Hadamar. Sehr geehrte Frau X.I Im Nachgang zu unserem Schreiben vom 21.06.41 müssen wir Ihnen zu unserem Bedauern mitteilen, dass Ihr Mann, Herr E.JJC. der im Rahmen von Maßnahmen der Reichsverteidigung in unsere Anstalt verlegt wurde, am 2. Juli 1941 unerwartet infolge von Grippe mit hinzutretender Pneumonie verstorben ist. Da unsere Anstalt nur als Durchgangsanstalt für diejenigen Kranken bestimmt ist, die in eine andere Anstalt unserer Gegend verlegt werden sollen, und der Aufenthalt hier lediglich der Feststellung von Bazillenträgern dient, die sich immer wieder unter solchen Kranken befinden, hat die zuständige Ortspolizeibehörde um den Ausbruch und die Übertragung ansteckender Krankheiten zu vermeiden, im Einvernehmen mit den beteiligten Stellen weitgehende Schutzmaßnahmen angeordnet und gemäß §22 der Verordnung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten die sofortige Einäscherung der Leiche und die Desinfektion des Nachlasses verfügt. Eine Einwilligung der Angehörigen usw. bedarf es in diesem Fall nicht. Der in die Anstalt mitgebrachte Nachlass wird der Desinfektion als Pfand für den Kostenträger hier zurückgelegt. Wir erlauben uns. Sie höflichst darauf hinzuweisen, dass sich eine Beschädigung des Nachlasses durch die Desinfektion infolge Verwendung nachhaltigster Mittel sehr oft nicht vermeiden lässt und vielfach sowohl Versendung wie Herbeiführung eines Entscheides über Zuweisung des Nachlasses mehr Zeit und Kosten verursachen als der Nachlass wert ist. Wir bitten Sie, in Erwägung zu ziehen, ob es Ihnen nicht möglich ist, auf ihn zu verzichten, sodass wir ihn im Falle der Beschädigung der NSV und im anderen Falle bedürftigen Anstaltsinsassen zuweisen können."

Hadamar war eine der größten Tötungsanstalten im nationalsozialistischen Deutschland. Getötet wurde in Gaskammern. Der erforderliche Gashebel durfte nur von Ärzten bedient werden. Anschließend wurden die Leichen im Krematorium verbrannt. Die Bewohner Hadamars berichteten nach dem Kriege über die ständige Rauchbelästigung durch den "Anstaltsschornstein".

Heute, über 60 Jahre nach der Beendigung der Schreckensherrschaft durch den Nationalsozialismus, werden wieder Stimmen laut, die eugenische Maßnahmen rechtfertigen wollen. Aus diesem Grunde soll an die Unsinnigkeit und an die fatalen Folgen der Eugenik und Euthanasie in Deutschland erinnert werden.