Hilfe für
zwangssterilisierte und Euthanasiebetroffene
Im Sommer des Jahres 1990
berichteten wir in der Zeitung in der Artikelserie „Medizin in der Zeit des Faschismus" über das Euthanasieprogramm und über die
Zwangssterilisation in Vorpommern und in Deutschland. Wir erhielten dazu viele
Anfragen und Zuschriften von Betroffenen oder deren Familienangehörigen über
Fragen der Wiedergutmachung dieser Willkürmaßnahmen. Ich möchte Ihnen mit Hilfe
dieses Artikels Mut machen, damit etwas von dem
großen Unrecht wieder gut gemacht werden kann.
Erinnern wir uns: Dem
Programm der Nationalsozialisten zur Beseitigung vermeintlicher Erbkrankheiten
und zur Vernichtung .„lebensunwerten Lebens" fielen zahlreiche Menschen zum Opfer. Über 400
000 Menschen wurden während der Naziherrschaft zwangssterilisiert und über 300
000 Menschen im Rahmen des ,“Euthanasie"- Programms ermordet. Was geschah nach 1945?
Die Überlebenden der
Sterilisation und die Hinterbliebenen der Euthanasie" -Opfer hatten nach dem Krieg einen schwereren
Weg als viele andere. Nach dem Erbgesundheitsgesetz
war es z. B. Zwangssterilisierten nicht möglich,
eine weiterbildende Schule zu besuchen.
Vielen waren dadurch bestimmte Berufswege versperrt.
Die Folgen minderer Qualifikationen
zeichnen sich noch heute in den Altersrenten ab. Die
Diskriminierung durch die Umwelt hat viele Menschen aus diesem Kreis in die
Isolation geführt. Sie können bis heute nicht über ihre schrecklichen Erlebnisse
reden. Im Alter kommt es neben den körperlichen und materiellen Schaden oft zu
schweren Depressionen. Es ist keine Seltenheit, daß
die Betroffenen das letzte Glied einer ausgerotteten Familie sind.
Die DDR hat zeit ihres
Bestehens diese Menschen nicht als Opfer des Faschismus anerkannt, die BRD bis 1988 ebenfalls nicht. Unter den Opfern
des NS-Regimes wurde nach dem Krieg auf dieselbe
fatale Weise zwischen „Wert" und „Unwert"
unterschieden wie vor 1945.
Seit 1988 gibt es m der Bundesrepublik für die
Zwangssterilisierten einen Härteausgleich von 5000 DM, wenn die Sterilisation
glaubhaft gemacht wird durch noch vorhandene Beschlüsse der damaligen Zeit,
Zeitzeugen., Unterlagen der Krankenhäuser oder ärztliche Bescheinigung.
In der Bundesrepublik
wurden im Dezember 1987 300 Millionen DM für den Härteausgleich zur Verfügung
gestellt. Zwangssterilisierte erhielten bei einer Notlage und dem Nachweis
eines Gesundheitsschadens auf Antrag Beihilfen.
Seit 1990 gibt es den
einmaligen Härteausgleich von 5000 DM auch für Personen, die vor Erreichen der
Volljährigkeit einen Elternteil durch die „Euthanasie"
verloren haben. Von den bereitgestellten Mitteln kamen 1988 nur 5,6 Millionen
DM zur Auszahlung, 1989 nur 4,4 Millionen DM. Die Menschen der neuen
Bundesländer können seit 19. 12. 1990 den Antrag auf Auszahlung der 5000 DM aus
der Härteregelung stellen oder eine Rente beantragen.
Als Ansprechpartner
steht Ihnen Dr. Erwin Walraph zur Verfügung.
In der Bundesrepublik
besteht seit 1987 der „Bund der ‚Euthanasie’- geschädigten und Zwangssterilisierten
e. V.", abgekürzt BEZ.
„ Der Bund wurde im Februar 1987 in Detmold
gegründet. Bisher hat sich ein Teil der , Euthanasie' - geschädigten und zwangssterilisierten
Personen gemeldet. Ihre Lebensberichte sind teilweise grausam. Die Spätfolgen durch die
Geschichte sind sehr
belastend. Über ihre
Erlebnisse reden unsere Menschen nicht gern. Viele leben in der Isolation und
tragen den Makel der Vergangenheit die längste Zeit ihres Lebens, ganz zu schweigen von denen, die ihren Kummer mit ins Grab genommen haben. Unsere Aufgabe ist, zu helfen und Verbindung miteinander herzustellen. Regelmäßig
treffen sich Zwangssterilisierte
und, Euthanasie-Geschädigte in Hamburg Frankfurt, Köln und Detmold zum
Gedankenaustausch. Gemeinsame Freizeitgestaltungen werden dankbar angenommen. Mit
Rundbriefen werden die Mitglieder über unsere Veränderungen der Richtlinien usw. informiert. Für eine Vermittlung mit Ihnen
bekannten Personen aus unserem Kreis wären wir dankbar. Vielen ist der Bund
unbekannt. Es hat sich gezeigt, daß die Gespräche und der Gedankenaustausch
miteinander für die Betroffenen hilfreich sind.